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Geraniacea Death - interaktive Videoinstallation

Da ist das Fenster, hinter dem die Vermieterin wohnt. Ihr Mann ist vor einem Jahr an einem Hirntumor gestorben. Gegen Ende seines Lebens hat sie ihn oft zum Luftschnappen ans Fenster gestellt. Er ist dann immer ganz langsam mit dem Gesicht in die Geranien gesunken. Früher war er Metzger. Die Schweine hat er allerdings nie selbst geschlachtet. Das wurde anderswo erledigt. Jetzt kommt die Sonne hinter den Wolken hervor, die Geranien leuchten rot.

Der Mann der Vermieterin erkrankt an einem Hirntumor. Er verliert mehr und mehr die Kontrolle über sein Leben - seinen Körper - sein Denken. Er sinkt mit dem Gesicht in einen Blumenkasten voller Geranien. Er sinkt mit seinen AUGEN in einen Dschungel, eine Wildnis, eine fremde Welt zwischen den Blättern und Blüten der Geranien vor dem Fenster.


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Darum geht es bei Geraniacea Death: Um das Sinken und die Erwartung aufgeben, dass es noch mehr vom Kuchen gibt, um Welt der irrelevanten Relationen, der egalisierten Prioritäten, der falschen Selektion des Viel zu Vielen. Alles wird bedeutsam und verliert an Bedeutung, bis nichts mehr bleibt als Verwunderung. Der Mann ist dem in penetranter Alltäglichkeit Existierenden ausgeliefert, da er tumorbedingt nicht mehr zu selektieren in der Lage ist. Die Sonne bescheint zunächst seine Schädelplatte, dann sinkt er etwas tiefer und die Sonne bescheint seinen Nacken und einen Teil seines Rückens. Er sinkt mit dem Oberkörper nach vorne bis sein Kopf wie ein Ballon zwischen den Geranien schwebt. Es ist die Tag-für-Tag- Sonne, die da auf ihn scheint. Zugleich ist es aber der gigantische Glutofen im Zentrum unseres Sonnensystems, dessen Protuberanzen glühende Gase Millionen Kilometer in den Weltraum hinaus schleudern. Es ist aber auch eine der letzten Sonnen, die der Mann der Vermieterin sehen wird, dort am Fenster, und es sind seine früheren Sonnen, die Sonnen des Gestern seiner Erinnerung, des Gestern und Vorgestern unserer Erinnerung. Es sind alle Sonnen, die dieser Begriff zu fassen vermag.



Darum geht´s in Geraniacea Death: Immer viel mitbringen, weil sonst nichts da ist. Hinter hinter, Fenster, Vermieterin, Mann, Hirntumor, Sonne, Wolken, anderswo, geschlachtet befinden sich weitere Bilder und Situationen, die ihrerseits Tür, Tor, Link, Verknüpfung und Schleuse sind für weitere, und so weiter, und so weiter... Der User, der Betrachter und der Besucher starten alle am gleichen Punkt, dann geht jeder seiner (Informations-, Assoziations,- ) Wege. Geraniacea Death erzählt eine Geschichte. Die Geschichte beginnt an der Oberfläche der Situation, in der der Mann mit dem Kopf in die Geranien sinkt. Dann wird diese Situation immer mehr verdichtet und verdichtet. Information wird in jedes Wort hineingepresst, bis es hinten oder oben wieder raus kommt. Es wird hineingezoomt und immer weiter aufgespalten bis alles riesig und lächerlich wird oder fremd und nichtig oder aber voller mi.glückter Deutungsversuche, zuerst heilig und erhebend, dann banal - erscheint. Immer mehr Details kommen dazu, immer mehr Information, bis das Bild unübersichtlich wird und flimmert. Mit jeder Information wächst die Anzahl der Möglichkeiten, Stellung zu beziehen, wächst die Anzahl der möglichen Geschichten.

Darum geht´s in Geraniacea Death: Alles ernst nehmen, so viel wie möglich so ernst wie möglich, bis es sich auflöst in Luft oder sich entlarvt als Schwindel oder sich zeigt als nichtiges Ergebnis zusammenhangsloser Reflektionen. Alles ernst nehmen. Alles (für) wahr (und bare Münze) nehmen. Es geht um den Tod, um den Krebstod, den Hirntumortod, den schwarzen Tod und den weißen Tod, den privaten und den wissenschaftlichen, den eigenen und den fremden. Den Tod so ernst wie möglich nehmen und so weiter, und so weiter, und so weiter...

Darum geht es in Geraniacea Death: Den Tod so ernst wie möglich nehmen. Im Tumor kämpfen zwei Hunde miteinander, ein weißer und ein schwarzer. Über den Kopf des Mannes der Vermieterin ziehen während dessen Wolken und zwar Cirruswolken, invisible cirrus, unsichtbare Cirruswolken genauer gesagt. Mauersegler stürzen gleichzeitig durch dem Hof und jagen Insekten, die zwischen den scharfen Schnäbeln der Mauersegler sterben. Der Mann, der auch beim Sterben ist seit ein paar Monaten, war früher Metzger. Da wurde auch gestorben und gegessen. Der Kopf des Mannes schwebt wie ein Ballon zwischen den Geranienblüten. Zwischen den Geranien in der Blumenerde bewegen sich Kleinstlebewesen. Der Mann denkt an Sex und die Frau des Mannes der Vermieterin an den Himmel, in dem die Engel sitzen und auf den Mann warten. Am nächsten Tag ist es dann umgekehrt. Als der Mann stirbt bebt die Erde ein wenig, am darauf folgenden Tag bebt die Erde wieder. Mann hat das im Sauerland in einer Erdbebenmessstation gemessen. Die Erde bebt jeden Tag ein wenig, sagt der Seismologe.

Darum geht es in Geraniacea Death: Die Erde bebt jeden Tag. Es hat Bedeutung, wenn sie am Tage des Todes des Mannes der Vermieterin bebt. Doch für wen, und weshalb eigentlich? Ein Wort bringt das andere, ein Bild bringt das andere. Und immer schön die Position wechseln, nie stehen bleiben. So schnell um den Tisch laufen, bis man alle vier Seiten des Tisches gleichzeitig sieht. Die ganze Chose beginnt zu wuchern und bildet (Informations-, Assoziations-) Metastasen, die wieder neue Tumoren erzeugen. Zentren bilden sich und Cluster. Allerdings bleibt am Ende doch nichts mehr übrig vom Kuchen, weil alles aufgebraucht ist, oder zumindest noch so viel bleibt, dass das Aufgebrauchte schon alles gewesen ist. Und darum geht es in Geraniacea Death: Alles aufbrauchen, so viel wie möglich aufbrauchen. Manche Worte aus Texten oder assoziative Verknüpfungen zu Filmen oder Bildern bilden Kurzschlüsse oder führen an den Rand der Gravitation der Situation oder der neu entstandenen Zentren. Manchen Begriffen führen in die Wirklichkeit hinein, in den Schlachthof, unter die Wolken, zwischen die Geranien, in den Himmel, auf die Felder.

Und darum geht es in Geraniacea Death: Geraniacea Death ist nie abgeschlossen, das Wachstum der rhizomatischen Struktur hat kein Ende. Die Struktur folgt über weite Teile der Logik des Spinnens oder des in die Luft Guckens. Alles dreht und verdichtet sich um den Mann, die Geranien, den Tumor und wird so zu einer Art mycelischer Struktur, die immer mehr Erscheinungen und Informationen frißt und in dünnen Schichten auf ihrer Oberfläche ablagert. Das Zentrum der Installation bildet eine interaktive Benutzeroberfläche, die die Informationen strukturiert. Der User kann an einem beliebigen Punkt der Geschichte beginnen. Bei jeder Bewegung werden weitere Informationen, Bilder, Filme, Sounds, Verknüpfungen eingeblendet, so dass teilweise bis zu zehn Informationsstränge gleichzeitig sichtbar werden. So entstehen immer neue Kombinationen aus Informationen, Geschichten, Bildern und Filmen, die die Eingangssituation umspielen, ergänzen oder verdichten. Je nach Weg, den ein User wählt, entsteht eine andere Atmosphäre, eine andere Kontextualisierung der Information. Durch die Synchonizität von Informationen aus unterschiedlichsten Bereichen wird somit auch die Multiplizität der Situation deutlich, in der der Mann der Vermieterin in die Geranien gesunken ist. Verschiedene Gravitationszentren von Geraniacea Death führen zu Filmszenen oder kurzen Texten, Rauminstallationen, die wenn auch keine vollkommene, so doch eine Teilautonomie gegenüber der Erzählung erlangt haben. Diese realisieren sich zu Installationsmodulen innerhalb der Gesamtinstallation von Geraniacea Death.

Geraniacea Death Videoinstallation Thorsten Hallscheidt

Geraniacea Death Videoinstallation Thorsten Hallscheidt

Geraniacea Death Flashanimation Thorsten Hallscheidt

Geraniacea Death Videoinstallation Thorsten Hallscheidt

Geraniacea Death Flashanimation Thorsten Hallscheidt

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